2002 drehte der Verein Projekt Im Laufen mehrere Kurzfilme. Einer dieser Kurzfilme war eine filmische Umsetzung von Arthur Schnitzlers Kurzgeschichte "Die Grüne Krawatte". Der Film ist immer noch auf Youtube verfügbar.
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Die Grüne Krawatte
Arthur Schnitzler
Ein junger Herr namens Cleophas wohnte zurückgezogen in seinem Hause
nah der Stadt. Eines Morgens wandelte ihn die Lust an, unter Menschen
zu gehen. Da kleidete er sich wohlanständig an wie immer, tat eine
grüne Krawatte um und begab sich in den Park. Die Leute grüssten ihn
höflich, fanden, dass ihm die grüne Krawatte vorzüglich zu Gesicht
stehe, und sprachen durch einige Tage mit viel Anerkennung von der
grünen Krawatte des Herrn Cleophas. Einige versuchten, es ihm
gleichzutun, und legten grüne Krawatten an wie er – freilich waren sie
aus gemeinerem Stoff und ohne Anmut geknüpft.
Bald darauf machte Herr Cleophas wieder einen Spaziergang durch den
Park, in einem neuen Gewand, aber mit der gleichen grünen Krawatte. Da
schüttelten einige bedenklich den Kopf und sagten: „Schon wieder trägt
er die grüne Krawatte… Er hat wohl keine andere…“ Die etwas nervöser
waren, riefen aus: „Er wird uns noch zur Verzweiflung bringen mit
seiner grünen Krawatte!“
Als Herr Cleophas das nächste Mal unter die Leute ging, trug er eine
blaue Krawatte. Da riefen einige: „Was für eine Idee, plötzlich mit
einer blauen Krawatte daherzukommen?“ Die Nervöseren aber riefen laut.
„Wir sind gewohnt, ihn mit einer grünen zu sehen! Wir brauchen es uns
nicht gefallen zu lassen, dass er heute mit einer blauen erscheint!“
Aber manche waren sehr schlau und sagten: „Ah, uns wird er nicht
einreden, dass diese Krawatte blau ist. Herr Cleophas trägt sie, und
daher ist sie grün.“
Das nächste Mal erschien Herr Cleophas, wohlanständig gekleidet wie
immer, und trug eine Krawatte von schönstem Violett. Als man ihn von
weitem kommen sah, riefen die Leute höhnisch aus: „Da kommt der Herr
mit der grünen Krawatte!“
Besonders gab es eine Gesellschaft von Leuten, der ihre Mittel nichts
anderes erlaubten, als Zwirnsfäden um den Hals zu schlingen. Diese
erklärten, dass Zwirnsfäden das Eleganteste und Vornehmste seien, und
hassten überhaupt alle, die Krawatten trugen und besonders Herrn
Cleophas, der immer wohlanständig gekleidet war und schönere und
besser geknüpfte Krawatten trug als irgendeiner. Da schrie einmal der
Lauteste unter diesen Menschen, als er Herrn Cleophas des Weges kommen
sah: „Die Herren mit der grünen Krawatte sind Wüstlinge!“ Herr
Cleophas kümmerte sich nicht um ihn und ging seines Weges.
Als Herr Cleophas das nächste Mal im Park spazieren ging, schrie der
laute Herr mit dem Zwirnsfaden um den Hals: „Die Herren mit der grünen
Krawatte sind Diebe!“ Und manche schrieen mit. Cleophas zuckte die
Achseln und dachte, dass es mit den Herren, die jetzt grüne Krawatten
trugen, doch weit gekommen sein müsste. Als er das dritte Mal wieder
kam, schrie die ganze Menge, allen voran der laute Herr mit dem
Zwirnsfaden um den Hals: „Die Herren mit der grünen Krawatte sind
Meuchelmörder!“
Da bemerkte Cleophas, dass viele Augen auf ihn gerichtet waren. Er
erinnerte sich, dass er auch öfters grüne Krawatten getragen hatte,
trat auf den Gesellen mit dem Zwirnsfaden zu und fragte: „Wen meinen
Sie denn eigentlich? Am Ende mich auch?“ Da erwiderte jener: „Aber,
Herr Cleophas, wie können Sie glauben –? Sie tragen doch gar keine
grüne Krawatte!“ Und er schüttelte ihm die Hand und versicherte ihn
seiner Hochachtung.
Cleophas grüsste und ging. Aber als er sich in gemessener Entfernung
befand, klatschte der Mann mit dem Zwirnsfaden in die Hände und rief:
„Seht ihr, wie er sich getroffen fühlt? Wer darf jetzt noch daran
zweifeln, dass Cleophas ein Wüstling, Dieb und Meuchelmörder ist?!“